Gründungsreferat 22. Juni 1884
( Referat gehalten an der ersten Versammlung zur Besprechung dieser Angelegenheit, sonntags am 22. Juni 1884 in der "Restauration zur Metzg" in Kempten )
Uebersetzung der originalen "Deutschen Schrift" durch: Frau Wettstein, EM Ernst Wartmann, EM Rolf Schneider
Das Dokument wurde zur Eröffnung des Füürwehrstübli erstellt. Die Unterschrift im Dokument ist eine Kopie des Originals vom Gründungsmitglied Züblin! Er war auch 1. Präsident und 1. Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Kempten.
Werte Anwesende:
Ich will versuchen, Ihnen in möglichst kurzen Zügen, mein Bestreben, in Kempten eine freiwillige Feuerwehr ins Leben zu rufen, zu begründen und dessen Zielpunkte näher zu erörtern. Es ist wohl
eine allgemein anerkannte Tatsache, dass am Feuerwehrwesen unserer Gemeinde im allgemeinen, und speziell demjenigen unserer Spritzencorporation grosse Mängel anhaften. Wenn auch während der Zeit
meines Hierseins im Bereiche unserer Thätigkeit kein Brandfall vorkam, was den Charakter eines allgemeinen Unglücks annahm, so erinnere ich mich doch nicht, jemals bei einem solchen helfend
mitgewirkt zu haben, wo nicht die verhältnismässig geringe Leistungsfähigkeit unserer Feuerwehr zu Tage getreten wäre. Dennoch geschah nichts Wesentliches, um dieselbe zu heben und zu fördern.
Das Feuerwehrwesen ist seit langem stiefmütterlich behandelt worden, und es ist in einem gewissen Grad Mode geworden, Ausgaben für dasselbe als überflüssig zu bezeichnen. Trotzdem ist das
Bewusstsein der Pflicht, dem Nächsten in der Gefahr helfend beizuspringen, nicht erloschen. Das entfesselte Feuer ist ein gefährlicher Feind, der uns heimtückisch, stets ungeahnt überfällt und
dessen Bekämpfung nicht nur rasches entschlossenes Handeln vereinter Kräfte, sondern auch gute Waffen erfordert. Wenn wir uns nun bei jeder näheren Prüfung unserer Verhältnisse sagen müssen, dass
wir diesem Feinde nicht genügend gewachsen sind, so wird es uns auch zur Pflicht, Versäumtes nachzuholen, bevor wir durch das schnell schreitende Schicksal an unsere Ohnmacht gemahnt werden. Wenn
wir die Einrichtungen einer Gemeinde gegen Feuergefahr einer Beurteilung unterziehen wollen, so haben wir in Betracht zu ziehen:
1. die Organisation der Feuerwehr
2. die Diensttüchtigkeit der Mannschaft
3. die Geräte und Apparate zur Rettung vom Leben und Eigentum und auch zum Löschen des Feuers.
Prüfen wir nun nach diesen drei Gesichtspunkten die Feuerwehreinrichtungen der Spritzencorporation Kempten-Burg, so dürfte sich ungefähr folgendes Resultat ergeben:
1. Die Organisation datiert vom Jahr 1848. Damals wurde sie nach Vereinigung er beiden Zivilgemeinden Kempten und Burg zu einer Spritzencorporation durch eine von der Corporationsversammlung und
die zuständige Oberbehörde genehmigte Feuerwehrverordnung festgesetzt und ist sich seither mit Ausnahme einiger unwesentlicher Abänderungen im ganzen gleich geblieben.
Mit einigen weiteren Modivikationen dürfte sie auch heute noch als gut bezeichnet werden, denn sie enthält in mehr oder weniger richtiger Form alle wesentlichen Teile einer Feuerwehr, wie sie für
die Verhältnisse nötig ist.
Was dagegen
2. Die Diensttüchtigkeit der Mannschaft
anbetrifft, so lautet das Urteil weniger günstig. Zwar ist das Mannschaftsmaterial gut und an deren Zahl mehr als genügend, allein auf dem Brandplatz fehlt in der Regel die einheitliche Leitung
der Operation, das zielbewusste Verfolgen eines bestimmten Planes, die Sicher- und Raschheit in der Handhabung der Geräte, das rasche Ineinandergreifen und tatkräftige Zusammenarbeiten der
einzelnen Abteilungen, und wenn dazu noch das zwecklose Umherspritzen der Wendrohrführer, das unverantwortliche Vergeuden des mühsam herbeigeschafften Wasser kommt, so haben wir das Bild einer
Tätigkeit, wo jede Kraft und Energie mangelt und die daher auch nicht entfernt die Wirkung hat, die (sie) für im Verhältnis zur aufgewandten Arbeit haben könnte und sollte. Es ist dies ganz
unzweifelhaft eine Folge vom Mangel jeder Instruktion und Uebung, und wo immer diesen letzteren die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wird, da bietet sich nur im Erstfall das Bild eines viel
ruhigeren und sicheren Arbeitens vor.
Wenn wir nun zum dritten Punkt übergehen und die
3. Apparate zur Rettung und zum Löschen des Feuers
einer Prüfung unterziehen, so können wir auch hierüber kein günstiges Urteil fällen. Zunächst fällt die Ausrüstung des Flöchnercorps in Betracht, die einzelnen Zivilgemeinden haben mit diesem
Corps nichts weiter zu schaffen, als die nötige Mannschaft zu stellen. Dasselbe steht unter centraler Leitung und jedermann ist mit einem Sacke ausgerüstet. Diese Ausrüstung, sowie überhaupt
diese Mannschaft mag genügen, wo es sich nur um das Hinausschaffen von Gegenständen aus Räumlichkeiten handelt, die vom Feuer noch intakt geblieben sind. Schlimmer stünde es, wenn schwierige
Aufgaben an sie herantreten würden. Die Mannschaft der Lebensgefahr auszusetzen, um Möbel ev. andere Gegenstände zu retten, die ersetzt werden können, wäre frevelhaft, dagegen können Fälle
eintreten, wo wertvolle Gegenstände, die durch keine Versicherung und durch keine Wohltätigkeit ersetzt werden, der Gefahr vor Vernichtung ausgesetzt sind und deren Aufbewahrungsort durch die
gewöhnlichen Zugänge nicht mehr erreichbar ist. Wenn vollends Menschenleben in Gefahr sich befinden, denen durch das Feuer der Ausweg abgeschnitten ist, so tritt die Pflicht an alle heran, selbst
mit eigener Gefahr die Rettung zu wagen und hiezu fehlen in der Regel alle Hülfsmittel. Selbst das einfachste und sicherste dieser Mittel, die gewöhnlichen Anstelleitern sind nicht zur Hand und
niemand weiss, wo dieselben zu finden sind. So vergehen kostbare Minuten, bis endlich Hülfe gebracht werden kann, wenn die Gefährdeten es nicht vorziehen, durch einen verzweifelten Sprung dem
Feuer zu entrinnen und dafür Arm und Bein zu brechen.
Glücklicherweise sind die Brandfälle, wo wirklich Menschenleben in Gefahr kommen in ländlichen Verhältnissen selten, allein es sollte doch auch für diese Fälle Vorsorge getroffen werden und würde
eine Reorganisation und besseren Ausrüstung des Flöchnercorps nach Art der vielerorts bestehenden Rettungscorps sehr zweckmässig sein. Dieselbe sollte jedoch den Verhältnissen entsprechend nicht
so wohl von einer einzelnen Spritzencorporation, als vielmehr von der ganzen Gemeinde ausgehen.
Kommen wir nun auf die Vorrichtungen zur Bekämpfung des Feuers selbst zu sprechen, so haben wir hier in Betracht zu ziehen
a) die Herbeischaffung des Wassers als wichtigstes Löschmittel
b) die Spritzen
c) die Leitern zur Besetzung der für den direkten Angriff günstigsten Position
d) die Unterbringung der Gerätschaften
a) Gleich der erste Punkt ist ein sehr schwacher. Abgesehen davon, dass viele vereinzelt stehende Wohnungen infolge ihrer Entfernung von fliessenden Gewässern und dem Fehlen von Laufbrunnen
sozusagen vollständig vom Wasser entblöst sind, so ist dies auch bei einigen bekannten Teilen der Gemeinde im untern Teile des Dorfes Kempten und namentlich im Feld der Fall, wo die Beschaffung
des Wassers im Brandfall bedeutenden Zeitverlust und grosse Schwierigkeiten verursachen würde. Es ist daher eine Notwendigkeit, ja geradezu eine Pflicht für leichte Wasserbeschaffung zu sorgen,
und wird sich die Vorsteherschaft nicht länger der Aufgabe entziehen können, diese Angelegenheit in Beratung zu ziehen und nach Möglichkeit zu fördern.
b) Unsere Spritze kennen sie alle, ihre Leistungen sind auch heute noch nicht zu verachten, aber als Fahrspritze leidet sie an Altersschwäche und Construktionsfehlern und überdies entbehrt sie
der sehr wünschbaren Saugvorrichtung. Es wäre aus verschiedenen Gründen zweckmässig, ihr als Reservespritze ein ruhiges Alter zu gönnen und für den Auszug eine neue Saugspritze anzuschaffen.
Damit würde dann auch das verpönte Institut der Wasserträger und Schöpfer in die Reserve verwiesen.
c) Beim Angriff des Feuers wird sozusagen niemals berücksichtigt, dass der Feuerherd aufgesucht und aus möglichster Nähe und von mindester gleicher Höhe aus der Wasserstrahl konstant und kräftig
auf denselben gerichtet werden muss, um die nötige Wirkung zu erzielen. Hiezu sind Leitern absolut notwendig, die uns, wenigstens in passender Form und zweckmässiger Einrichtung vollständig
fehlen. d) Die Unterbringung der Geräte ist nur dann eine zweckmässige, wenn die Letztern an einem leicht zugänglichen Orte sich befinden, wo sie vor schädlichen Einflüssen geschützt, gehörig
geordnet und zu sofortigem Transport auf den Brandplatz aufgepackt und bereit sind.
Inwiefern unser Spritzenhaus insbesondere auch im Hinblick auf die notwendige Vermehrung der Geräte diesen Anforderungen entspricht, wollen sie selber beurteilen, abgesehen davon, dass es nach
seiner äusseren Erscheinung und Lage dem Dorfe nicht zur Zierde gereicht.
Sie sehen meine Herren ; dass auf dem Gebiete des Feuerwehrwesens in unserer Gemeinde Werg an der Kunkel sich befindet und die Vorsteherschaft wird sich Mühe geben, denselben nach und nach
abzuspinnen, aber sie kann sich nicht verhehlen, dass sich ihr bedeutende Schwierigkeiten in den Weg stellen werden.
Was zunächst die bessere Instruktion und vermehrte Uebungen anbetrifft, so würde wohl auf dem Wege des Obligatoriums für alle Dienstpflichtigen vorläufig nur eine allgemeine Unzufriedenheit über
zu grosse Anforderungen erzielt werden, abgesehen davon, dass eine bezügliche Statutenänderung kaum durchdringen würde und die berührte Verbesserung und Vermehrung der Einrichtungen ist mit so
bedeutenden Kosten verbunden, dass dieselben jedenfalls nur allmählig vorgenommen werden können und auch dann noch der Unterstützung aller derjenigen bedürfen, die sich für eine Fortentwicklung
des Feuerwehrwesens interessieren.
Von diesen Erwägungen ausgehend, bin ich zu dem Schlusse gelangt, dass man wohl am sichersten und schnellsten zum Ziele gelangen würde, wenn durch eine freiwillige Vereinigung einer grösseren,
ev. kleineren Zahl jüngerer Leute wenigstens für die wichtigsten Abtheilungen der Feuerwehr eine wohlgeschulte und disziplinierte Mannschaft geschaffen werden könnte. Ich verhehle auch durchaus
nicht, dass ich mich dabei der Hoffnung hingab, in dieser Mannschaft für ein weiteres Vorgehen kräftige Unterstützung zu finden.
Hierin liegt die Begründung meiner Bestreben, eine freiwillige Feuerwehr ins Leben zu rufen.
Aus dem Gesagten wird nun hervorgehen, dass damit nicht die Gründung eines sogenannten Rettungscorps verstanden ist, mit dem ausgesprochenen Zweck Leben und Eigentum Betroffener aus Feuersgefahr
zu retten. Wie schon angedeutet, gäbe auf dem Gebiete der Politischen Gemeinde die Institution des Flöchnercorps hiezu die nötigen Anknüpfungspunkte. Allerdings würde eine Abtheilung der
projektierten Freiwilligen Feuerwehr vermöge ihrer Uebung und ihrer Ausrüstung die Aufgabe haben, da wo das Flöchnercorps nicht ausreichen sollte, ergänzend einzugreifen; aber ihre eigentliche
Aufgabe ist der Brand- oder Löschdienst.
Als Dienstverrichtungen, zu deren raschen und sicheren Ausführung Instruktion und Uebung vor allem erforderlich sind, bezeichnen wir:
1. vor Fertigstellen der Spritze in Action
2. vor Erstellen der Schlauchlinie
3. vor Aufstellen der Leiter und das Manöverieren mit derselben
4. vor Besteigen der Leitern und Dächer und die Wendrohrführung
Demgemäss dürfte sich die Organisation der Freiwilligen Feuerwehr zur Aufgabe stellen, nach Massgabe der Mitgliederzahl diejenigen Abtheilungen zu bilden, die diese Verrichtungen zu besorgen
haben.
Wir können dieselbe also einteilen in ein Steigercorps, Was die im Punkt 4 erwähnten und in ein Hülfscorps, was die im Punkt 1, 2 und 3 aufgeführten Aufgaben zu erfüllen hätte. Ihrer Aufgabe
gemäss bedarf die Mannschaft des Steigercorps ausser den Geräten mit welchen sie operiert gewisser Ausrüstungsgegenstände. Dieselben bestehen aus
Gurt mit Sicherheitshaken, Beil, Steigerseil, Hülfsstrick, Laterne und Signalpfeife,
während die Hülfsmannschaft dieser Gegenstände nicht bedarf. Dagegen dürfte es sehr zweckmässig sein, eine gemeinsame Dienstmütze und geeigneter Abzeichen, z.B. ein Armband mit der Bezeichnung
der Abtheilung für die gesamte Mannschaft der Freiwilligen Feuerwehr einzuführen.
Die Geräte, die unbedingt angeschafft werden müssen sind 1 Schiebleiter, 2 Dachleitern, 1 Firstleiter, 3 Steigerleitern und 1 Wagen zum Transport dieser Geräte.
Die Kosten der Anschaffung der letzteren, sowie der persönlichen Ausrüstungsgegenstände mit Ausnahme der Mütze belaufen sich auf cirka frs. 700 und können natürlich nicht den Mitgliedern
aufgebürdet werden. Naturgemäss müssten sie von der Korporation getragen werden. Um aber meine Bestreben nicht vom abweisenden Votum einer vielleicht missgünstigen Korporationsversammlung
auszusetzen und damit zum Vornherein begraben zu lassen, habe ich den Weg der Sammlung freiwilliger Beiträge betreten, und ich freue mich, heute mitteilen zu können, dass durch die bis jetzt
aufgebrachte Summe beiläufig frs. 600, vor Zustandekommen des Projektes in finanzieller Beziehung als gesichert erscheint.
Um noch einige Worte über das Verhältnis fier freiwilligen zur allgemeinen obligatorischen Feuerwehr zu verlieren, so stelle ich mir dasselbe wie folgt vor:
Die Freiwillige Feuerwehr bildet mit ihren Abtheilungen einen integrierenden Bestandteil der allgemeinen. Erstere instruiert ihre Leute in genügenden, regelmässigen Uebungen für ihren Dienst.
Diejenige durch die allgemeine Organisation vorgeschriebene Mannschaft, die von der Freiwilligen Feuerwehr nicht gestellt werden kann, wird wie bisher von der Vorsteherschaft eingeteilt.
Letzterer sind die von der Ersteren getroffenen Wahlen der Abtheilungschefs zur Bestätigung vorzulegen. Die Freiwillige Feuerwehr steht unter dem Kommando des Spritzencommandanten. Ihre Uebungen
sind unentgeltlich, nur bei Brandfällen oder allgemeinen Uebungen (Spritzenproben) wird allen der bestimmte Sold ausbezahlt. Die Geräte und Ausrüstungsgegenstände, die durch die freiwilligen
Beiträge angeschafft wurden, gehen in das Eigentum der Korporation über, die für deren Unterbringung und Instandhaltung zu sorgen hat. Die Statuten der Freiwilligen Feuerwehr werden der
Vorsteherschaft zur Genehmigung vorgelegt. Es ist kaum zu bezweifeln, dass die gegenwärtige Vorsteherschaft zu gelegener Zeit dafür sorgt, dass auch die Korporationsversammlung dieselbe
genehmigt.
Hiemit glaube ich, umsomehr mein Vorgehen begründet und die Zielpunkte derselben genügend erörtert zu haben. Es handelt sich umsomehr um die Beistimmung und vom Beitritt einer genügenden Zahl von
tüchtigen Leuten und es soll mich freuen, wenn recht viele sich hiezu bereitfinden.